“Wenn wir das anderen überlassen, haben wir keine Zukunft”
Natalina Haller
Insgesamt 30 junge Journalistinnen und Journalisten haben unseren Fragebogen ausgefüllt, den wir anlässlich des Communication Summit 2016 verschickt haben. An dieser Stelle präsentieren wir die anonymisierten Resultate. Wir haben versucht, aus allen eingegangenen Antworten ein Fazit zu ziehen. Unsere Umfrage hat nicht den Anspruch wissenschaftlichen Standards zu genügen, sondern soll ein Stimmungsbild unter jungen JournalistInnen geben.
Was macht den Beruf JournalistIn attraktiv für Dich?
Ganz klar sind Abwechslung, Neugierde und das Kennenlernen von Menschen jene Aspekte, die den Beruf für junge JournalistInnen interessant machen.
Wir haben aus allen eigegangen Statements vier möglichst repräsentative ausgesucht:
“Die Möglichkeit wichtige Themen und Probleme zu beleuchten. Die selbstständige Recherchearbeit. Die Möglichkeit aktuelle Probleme kritisch einzuordnen und verständlich darzustellen. Dafür zu sorgen, dass (Macht)Missbräuche öffentlich gemacht werden und somit zu einer besseren Gesellschaft beizutragen.”
“Mir gefällt es, am Puls der Zeit zu sein, Informationen und Geschichten aufzubereiten und zu erzählen. Ausserdem schätze ich – als ehemaliger Kaufmann – die Abwechslung, die der Job mit sich bringt. Man weiss nie, was auf einen zu kommt.”
“Die Themenvielfalt, die ich bearbeiten kann. Der Blick hinter die Kulissen, der ansonsten nicht möglich wäre. Gerade im Regionaljournalismus. Die Kreativität, sei es stilistisch oder die Darstellungsform.”
“Es ist ein Beruf [...] bei dem ich mich nie fragen muss: Wieso mach ich das überhaupt, hat dieser Job eine Daseinsberechtigung? Er erlaubt mir, kreativ zu sein und sich auch für die Dinge einzusetzen, die mir persönlich wichtig erscheinen."
Warum bist du in den Beruf eingestiegen? Warum hast du es versucht?
Eine Mischung aus Schreiblust, Neugierde, Faszination und Zufall hat die Befragten in den Journalismus geführt.
Auch hierzu haben vier unterschiedliche Statements ausgewählt:
“Ich habe schon immer gerne geschrieben und Zeitung gelesen, deswegen war es eine völlig natürliche Sache für mich, irgendwann auch mit journalistischen Texten anzufangen. Zu Beginn habe ich das nicht mit der Absicht gemacht, auch wirklich einmal Geld damit zu verdienen, es ging mir nur um die Freude an der Sache. “
“Eine sehr gute Praktikumserfahrung hat mich überzeugt und angefixt. Ich würde nicht jede Form von Journalismus bei jedem Medium ausüben.”
“Ich habe schon immer gerne geschrieben und da ich sehr neugierig und interessiert bin, habe ich leicht auf den Weg Richtung Journalismus gefunden.”
“Es war wohl eine gute Portion Mitteilungsbedürfnis und wie immer der Zufall.”
Würdest du jemandem, der jünger ist als du, raten, in den Journalismus einzusteigen?
Eine Mehrheit von über 80 Prozent der Befragten ist grundsätzlich optimistisch und würde den Beruf weiterempfehlen. Die positiven Empfehlungen waren jedoch nur zur Hälfte vorbehaltlos. Aus den Antworten wurde deutlich ersichtlich, dass der Wille die entscheidende Rolle spielt. Junge Journalistinnen brauchen demnach Durchhaltevermögen, Geld darf nur eine untergeordnete Rolle spielen, eigene Ideen und schnelle Anpassungsfähigkeit sind gefragt. JournalistIn ist aus Sicht der befragten NachwuchsjournalistInnen kein Beruf wie jeder andere.
Ja
“Unbedingt! Der um sich schlagende Pessimismus in der Branche geht mir sowieso schon auf die Nerven. Klar, die digitale Transformation ist eine grosse Herausforderung, aber sie ist auch eine grosse Chance, selbst kreativ zu werden und etwas eigenes auf die Beine zu stellen! Wir beginnen sozusagen bei Ground Zero. Das ist gerade für junge Journalistinnen und Journalisten eine grosse Chance, sich zu beweisen und etwas Neues zu probieren.”
Eher Ja
“Ja, aber nur wenn man es wirklich will. Dann ist es toll, und wenn man gut ist, kommt man auch zum Zug. Dafür muss man aber viel opfern, was es - wenn man wirklich will - auch Wert ist und sich auch auszahlt. Wenn man nicht wirklich will, klappt es sowieso nicht. Optimistisch aber auch: ich bin überzeugt, dass es die journalistische Leistung immer brauchen wird, nur vielleicht müssen wir die Form (wieder) finden.”
Eher nein
“Jein. Dank dem Internet ist der Beruf im Wandel und so spannend wie noch nie. Andererseits denken viele bei ihrem Einstieg an eine Art von (Magazin-)Journalismus, von dem nur wenige tatsächlich leben können. Es ist ein Job, bei dem man innert kürzester Zeit desillusioniert werden kann, besonders wenn man fix in einer Redaktion arbeitet.”
Nein
“Nein. Keine Stellen, ewig andauernde Praktika, schlechte Bezahlung, unsichere Jobs.”
Wohin steuert der Journalismus – auch angesichts der immer wichtiger werdenden sozialen Medien?
Die Frage aller Fragen, mit denen sich JournalstInnen beschäftigen, treibt auch die jungen JournalistInnen um. Soziale Medien stehen bei den befragten jungen JournalistInnen hoch im Kurs, allerdings werden deren Funktionsweise und Einfluss auf die Arbeit von JournalistInnen kritisch hinterfragt. Eine abschliessende Antwort würde der Natur des ständigen Wandels widersprechen. Ein sehr interessantes Statement über unterschiedliche parallel laufende Entwicklungen möchten wir an dieser Stelle stellvertretend erwähnen:
“Journalismus steuert in mindestens zwei Richtungen: Journalismus, der in der Aufmerksamkeitsökonomie der sozialen Medien bestehen will und deshalb auf schnelle - was nicht heisst: qualitativ schlechte - News und Unterhaltung setzt. Und als zweites Informations- und Recherchejournalismus, welcher in der Aufmerksamkeitsökonomie der sozialen Medien nicht bestehen kann. Dieser Journalismus will und muss bezahlt werden. Es ist allerdings ein Irrtum, dass dieser Journalismus nicht auch virale Geschichten produziert. Man denke da etwa an Constantin Seibts messerscharfe Analyse der Weltwirtschaftskrise, die x-fach geteilt und gelesen wurde. Auch der Journalismus, der sich nach der Aufmerksamkeitsökonomie richtet, kriegt aber zunehmend ein finanzielles Problem, da er sich vom Facebook-Algorithmus abhängig gemacht hat, der beispielsweise neuerdings Links schlechter bewertet und weniger anzeigt. Also gibt es für ihn zwei Möglichkeiten: Entweder er produziert nur noch Clickbait-Content und viele Katzenvideos oder baut sich eine solide Community auf, hat also eine klare Zielgruppe. Immer wichtiger werden wohl kuratierte Bezahlmodelle wie die Zwölf-App vom Tagi oder Blendle.”
Sind JournalistInnen deiner Meinung nach zunehmend überflüssig?
Eine Frage, die wir uns angesichts der Automatisierung des Arbeitsmarktes alle stellen müssen. Gemäss Untersuchungen der Universität Oxford besteht für Journalistinnen und Journalisten eine Wahrscheinlichkeit von 8 Prozent, dass die eigene Arbeit in den nächsten 20 Jahren automatisiert wird, sprich die menschliche Arbeitskraft im Journalismus wegfällt. Dazu haben junge JournalistInnen in der Umfrage gesagt:
“Maschinen können zwar Informationen verarbeiten, aber Menschen können denken, Zusammenhänge erkennen, Analysen machen, Gedanken anstossen, die nicht jeder macht. Journalisten müssen aufklären, von Dingen, die nicht für alle ersichtlich sind, verschiedene Standpunkte erläutern, differenziert arbeiten. Eine Welt ohne Journalismus wäre fatal und ein grosser Rückschritt.”
“Die Aufgabe bleibt im Grunde dieselbe wie bisher: Informationen verständlich aufbereiten, Wissen vermitteln, Zusammenhänge aufzuzeigen und Geschichten zu erzählen. Hinzu kommt eben das Wissen um die richtige Vermittlung (multimedial. Storytelling) und der richtigen Distribution (versch. Kanäle), die nach individuellen Kriterien stattfinden muss. Hierbei ist das Schöne, dass Algorithmen und Computer unterstützend wirken. Doch die Beziehung Mensch-Mensch, resp. Journalist-Publikum wird weiter bestehen, weil wir sie als ehrlicher und sozialer empfinden.”
Viele junge JournalistInnen haben die Bedeutung ihrer Arbeit für eine funktionierende Demokratie betont und damit auch gleich eine Erklärung geliefert, weswegen der Beruf auch in Zukunft nicht überflüssig sein wird. Nur eine befragte Person war derweil tatsächlich der Ansicht, dass JournalistInnen überflüssig werden:
"Wenn sie so unkritisch weitermachen wie bisher, dann schon."
Herrscht in den Redaktionen Aufbruchstimmung?
So unterschiedlich die Schweizer Medien sein mögen, es gibt Unmut über die Stimmung in den Redaktionsräumen unter jungen Journalistinnen. Für schlechte Stimmung auf Redaktionen werden die Verlage, oder ältere demotivierte Kolleginnen verantwortlich gemacht, so Teilnehmer der Umfrage schrieb:
“Auf meiner Redaktion herrscht eine Mischung aus Wut gegen die Verlagsstrategie und innerer Aufbruchstimmung in der Redaktion.”
“Bei einigen Redaktoren, ja, aber ich sehe bisher nicht, dass sich Redaktionen ganzheitlich und konsequent neu ausrichten. Gründe gibt es wohl viele, ein wichtiger: Viele bisherige Redaktoren - auch in den Onlineredaktionen - sind für die neuen Anforderungen nicht geeignet. Die Redaktion müsste zusätzlich Leute anstellen oder bisherige entlassen und ersetzen. In beiden Fällen ist die Hürde sehr hoch.”
Ob Auf- oder Abbruchstimmung auf den Redaktionen herrscht, scheint gemäss den Umfrageergebnissen stark vom Anteil junger Mitarbeitenden und der Offenheit gegenüber digitalen Inhalten abhängig zu sein. So schreibt ein Umfrageteilnehmer:
"Online ist der Erfolg sofort spürbar und messbar. Das treibt an, Neues zu probieren und wieder zu verwerfen und mit den Formen zu spielen. Die Technik macht es so einfach, Neues zu wagen."
Und eine weitere Person, antwortet auf die Frage:
"Oh ja! Wir sind jung und haben etwas Geld. Optimismus pur! :D"
Werden junge JournalistInnen in den Redaktionen „verheizt“?
Die Meinungen zu diesem Thema gehen weit auseinander. Eine pauschale Aussage sei schwierig zu treffen, betonten mehrere Teilnehmende. So antwortet eine befragte Person:
“Teilweise. Kommt sehr auf den Arbeitgeber an. BaA macht aus den Jungen Clickbait-Bitches, während andere Medien den Jungen sehr bewusst viel Freiraum geben. Wenn ich jemanden anstellen müsste, wäre das eine unerfahrene und junge Multimediajournalistin - mit allen Freiheiten, die sie will.”
Eine weitere sehr kritische Haltung lautete:
“Nicht unbedingt verheizt, aber zu wenig gefördert und gefordert. Auf vielen Redaktionen - zum Beispiel beim St.Galler Tagblatt - herrscht eine verschlafene Stimmung, wie man von jungen hört, welche die Redaktion mangels Weiterentwicklungsperspektiven verlassen haben.”
Insgesamt ergab der Versuch der Kategorisierung der Antworten ein durchzogenes Bild.
Wie empfindest du als junge Journalistin / junger Journalist die heutigen Redaktionen?
Eine Mehrheit der Befragten empfindet die Situation in den Redaktionen als eher negativ, oder negativ. So antwortete ein Teilnehmer auf unsere Frage:
"Hell und geräumig. Voller Menschen, die das nicht wahrnehmen, weil sie frustriert sind."
Die jungen Journalisten zeigten auch Verständnis für die Situation ihrer erfahrenen Berufskollegen:
“Wer Tag für Tag das gleiche Produkt macht und immer nur hört, er müsse sparen, der wird am Morgen kaum voller Enthusiasmus im Büro erscheinen. Dagegen kommt man als junger Journalist nicht an.“
Doch auch bei dieser Frage sind generalisierende Aussagen schwierig, die Situation auf Schweizer Redaktionen zu verschieden. Positiv äusserte sich diese Teilnehmerin:
“Ich habe eigentlich immer sehr positive Erfahrungen gemacht, gute Teams, gute Stimmung. Ich fühlte mich gefördert - als junge Frau im Journalismus. Aber eben: Die Arbeitsbedingungen sind wirklich hart.”
Will das Publikum noch kritischen Journalismus? Oder verkommt der Journalismus zur reinen Unterhaltung?
Bezüglich des Publikums äusserten sich die jungen JournalistInnen bedeutend positiver. Auch wenn gewisse Tendenzen zum Infotainment kritisch kommentiert wurden, ist die Grundhaltung sehr positiv. Allerdings stellt sich für viele junge Journalisten die Frage, ob bezüglich des kritischen Journalismus, noch zu fest in alten Mustern gedacht wird. Ein Umfrageteilnehmer schreibt beispielsweise:
“Klar will das Publikum den kritischen Journalismus, nur nicht in der gleichen Art wie vor 20 Jahren. Was für mich nicht stimmt, ist der Relevanzbegriff, den Frank A. Meyer und andere gestandene Journalisten vertreten. Lesen Sie mal eine Tageszeitung und fragen Sie sich bei jedem Artikel: Betrifft mich das? Wenn Sie kein extrem politischer Mensch sind, haben Sie Glück, wenn Sie nur bei einem einzigen sagen können: Ja, das beeinflusst mich als Person.”
Uneinig sind sich die jungen JournalistInnen in ihrer Meinung zu Buzzfeed. Während die einen davon sprechen, dass dieses Portal kritischen Journalismus und Unterhaltung beispielhaft vereinen, fällt es anderen schwer, Buzzfeed ernst zu nehmen.
Wo siehst du dich beruflich in 5, 10 Jahren?
Eine Frage, die auch durchaus an einem Bewerbungsgespräch gestellt werden könnte, beantworten die jungen Journalisten sehr unterschiedlich. Während die einen ein sehr klares Ziel vor Augen haben, sind andere bezüglich Zukunft im Unklaren, allerdings möchte eine deutliche Mehrheit im Journalismus bleiben. Ein Teilnehmer schreibt:
“Ich habe keine Ahnung. Ich will einfach schreiben, an einem Ort, wo ich gefördert werde, wo mir mein Mund nicht verboten wird, wo ich mich in der Online-Welt austoben und viele Leute erreichen kann. Ich will allerdings viel in meine Ausbildung investieren und immer besser werden. Und für eine kritisch denkende Gesellschaft kämpfen.”
Die Begeisterung für den eigenen Beruf ist bei dieser Frage bei einer jungen Journalistin deutlich zu Wort gekommen:
“Ich bin hoffentlich noch immer eine zufriedene Journalistin. Wie gesagt, ich liebe meinen Beruf.”
Fühlst du dich angesprochen? Bist du selbst junge Journalistin oder junger Journalist und möchtes mehr über uns erfahren? Melde dich! Junge Journalisten Schweiz ist die Organisationen von & für junge Journis.