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Lokaljournalismus

mit Hanna Girard

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Blog

Unsere Zukunft #1 – Hannes Britschgi

Natalina Haller

«Wir brauchen junge Journalisten mit Neugier, Leidenschaft und Rückgrat»

Mit Hannes Britschgi, Publizist und Leiter der Ringier-Journalistenschule, eröffnen wir auf jungejournalisten.ch die Interview-Serie «Unsere Zukunft». Darin stellen wir erfahrenen Journalistinnen und Journalisten unseres Landes Fragen zu ihrem Verständnis neuer Medien, zur künftigen Entwicklung unseres Berufsstandes und den damit verbundenen Anforderungen an die neue Journalistengeneration.

 

Weshalb haben Sie sich vor vielen Jahren entschieden, Journalist zu werden?

Ich bin in diesen Beruf hinein gewachsen. Nach dem Anwaltspatent habe ich eine Arbeit in der Filmbranche gesucht. Mein Fernziel: mit filmischen Mitteln Geschichten erzählen. Der Zufall wollte es, dass ich beim Schweizer Fernsehen landete und dort von der Pike auf das TV-Handwerk erlernte. So wuchs ich langsam in den Fernseh-Journalismus hinein. Karussell, Max, Kassensturz und Rundschau waren meine Stationen. Nach 15 Jahren wurde ich zum Chefredaktor des Schweizer Nachrichtenmagazins FACTS berufen. So bin ich zum Print-Journalismus gekommen und hier bis heute begeistert dabei.

Würden Sie sich heute nochmals für den Beruf des Journalisten entscheiden?

Ja, es ist ein wunderbarer Beruf. Jeden Tag gibt es neue Dinge zu lernen. Jede Recherche, jede Auseinandersetzung mit einer Geschichte führt in neue Welten oder lässt bekannte Bereiche weiter vertiefen. Letztlich versteht man als Journalist jeden Tag die Welt eine bisschen besser. Wir begegnen vielen interessanten Menschen, dürfen überall unsere neugierige Nase reinstecken und haben eine Carte blanche mit allen und jedem in Kontakt zu treten. Leider verschlechtern sich heute die Rahmenbedingungen unseres Berufes. Wir müssen aufpassen, dass die Journalisten weiterhin ihrer grossen Aufgabe nachgehen können: Berichten, was passiert und Orientierung in einer immer komplexer werdenden Welt geben.

Sollten Jugendliche mit dem Traum, Journalist zu werden, Sie als Vorbild nehmen?

Wo immer ihnen guter Journalismus begegnet, sollten sie sich fragen, warum diese Arbeiten sie begeistern. Wenn sie das analysieren, lernen sie von den besten des jeweiligen Fachs. Was mich betrifft: Ich habe auf meinem bisherigen beruflichen Weg versucht, meinen Mitarbeitern das vorzuleben, was ich von ihnen verlange: Leidenschaft für diesen Beruf, Neugier im Leben, Akribie in der Recherche, Fairness gegenüber den Kritisierten, eine absolute Verpflichtung der Wahrheit gegenüber und eine selbstkritische Haltung gegenüber seinem eigenen Material und Standpunkt.

Welches sind Ihre journalistischen Vorbilder?

Bleiben wir mal in der Deutschschweiz: Ich habe viele und erwähne einige stellvertretend: Ich bewundere Niklaus Meienberg für seine Sprachgewalt und seine polemische Vitalität, Erwin Koch für sein Gefühl für Figuren und für seine Feder, Constantin Seibt für die wunderbare Kreativität in seinen Texten, Daniele Muscionico für ihre verdichtete Sprache, “work”-Chefredaktorin Marie-Josée Kuhn für ihren klassenkämpferischen Boulevard, Ex-NZZ-Redaktor Hans Bosshard für die unerreichte Kompetenz in seinem Fachressort SBB, Jean Ziegler und Frank A. Meyer für ihre unerschütterliche Banken- und Kapitalismuskritik, Roman Kilchsberger für sein loses Mundwerk mit dem er sogar das öffentlich-rechtliche Hochamt stören darf, «Blick am Abend»-Chefredaktor Peter Röthlisberger für seinen Stil des verspielten Boulevards, …

Welches ist/war Ihr journalistisches Berufsziel – wo wollten Sie schon immer arbeiten?

Ein eigentliches Berufsziel hatte ich nie. Ich habe angefangen und dann hat es sich jeweils ergeben. Ich versuchte einfach, meine Arbeit gut zu machen, so nach dem Motto: Meine Arbeit ist meine Visitenkarte.

Aus Fehlern lernt man, sagt ein Sprichwort. Aus welchem Fehler haben Sie am meisten gelernt?

Bei meinen ersten Gehversuchen als «Filmer» durfte ich ein Making-off-Video über den «Schwarzen Tanner» von Xavier Koller drehen. Bei der Abnahme wehrte ich mich gegen seine kritischen Einwände. Da herrschte Xavier mich an: «Willst du etwas lernen oder nicht?» Das sass und daran habe ich mich immer wieder gehalten.

Welchen Fehler sollte jede/r Jungjournalist/in einmal gemacht haben?

Egal welchen. Wichtig ist die Lernkurve. Wir sind zwar professionelle Dilettanten. Als Generalisten, die wir heute hauptsächlich sind, müssen wir uns ständig neue Fachfelder erarbeiten. Deshalb brauchen wir ein Netzwerk. Wir sind auf das Urteil von Fachleuten angewiesen, damit wir uns in schwierigem Gelände absichern können.

32% der Schweizerinnen und Schweizer vertrauen Journalisten. Mit diesem Prozentsatz liegt unser Berufsstand auf dem 16. Rang, nach Landwirten, Lehrern und Taxifahrern. Was unternehmen Sie in Ihrem Berufsalltag, um den schlechten Ruf des (Online-)Journalismus zu verbessern?

Das darf uns nicht all zu sehr kümmern. Wir sind für den Rest der Welt eine unangenehme Berufsgruppe. Damit müssen wir leben. Aber wir dürfen keinen Anlass geben, dass andere uns zu Recht in die Pfanne hauen können. Das heisst: Die Verlage müssen ins Handwerk, also in die Ausbildung, der Journalisten investieren. Es genügt nicht, einen Code of Conduct ins Schaufenster zu stellen. Die Qualitätsdiskussion muss täglich gepflegt werden. Das passiert in der Redaktionskonferenz, in der Blattkritik durch interne und externe Referenten, im Gegenlesen, im Fakten-Check, in Feedbackschlaufen und nicht zuletzt durch die Redaktionskultur, für die die Chefredaktion verantwortlich ist.

Fragt man angehende Journalist/Innen, äussern sie sich oft negativ über Onlineportale, obwohl sie selbst fast nur Onlinenews konsumieren. Wie deuten Sie diese Verzerrung?

Da muss ich widersprechen. Mit den «digital natives» kommt eine neue Journalistengeneration, die das anders beurteilt. Die Qualität im Online-Journalismus kommt voran und die journalistischen Grössen im Printjournalismus schreiben immer öfter auch für die Internet-Portale ihrer Marken, denn sie wollen dort publizieren, wo die Leser sind.

Welche Fähigkeiten und Charaktereigenschaften braucht ein/e junge/r Journalist/in?

Neugier, Leidenschaft für den Beruf, sprich eine überdurchschnittliche Energie, Köpfchen und ein Talent, Geschichten zu erzählen, oder komplizierte Dinge einfach darzustellen, Selbstvertrauen, Rückgrat, journalistischen Ehrgeiz, ein rhetorisches Talent, eine provozierende Ader, einen inneren Kompass.

Welches sind die grössten Herausforderungen für junge Journalistinnen und Journalisten in Zukunft?

Schlechtere Arbeitsbedingungen und die damit einhergehende Selbstausbeutung.

Haben junge Journalist/innen dank des Onlinejournalismus bessere Chancen, im Beruf Fuss zu fassen?

Ja, eindeutig. Es gibt einfach neue Möglichkeiten einzusteigen. Allerdings müssen die jungen Journalisten im Online-Journalismus fix schreiben können. Da ist Tempo angesagt und es gibt weniger Zwischenstufen, oder anders gesagt Sicherheitsnetze, bis ein Text publiziert ist.

Was können Journalisten, die bereits seit längerer Zeit im Beruf stehen, von jüngeren Kollegen lernen?

Die «digital natives» bewegen sich schneller und leichter in den neuen Medien. Da können wir «digital immigrants» lernen. Ebenso von der anderen Sicht auf die Welt und von der Beweglichkeit, mit der sich die Jungen den Bedürfnissen der Branche stellen.

Was folgt auf die «Generation Praktikum»?

Die Generation Weiterbildung? Ich vermute, dass die éducation permanente wichtiger wird. Wir lernen nicht einen Beruf. Wir fangen mal an und machen immer weiter. Und die Berufsbilder werden fliessender.

Wo «rekrutieren» Sie gute Onlinejournalisten?

Wir suchen gute Journalistinnen und Journalisten. Für die Online-Kanäle unsere Titel suchen wir natürlich solche, die eine hohe Affinität zum nachrichtlichen Journalismus haben. Wir «rekrutieren» ständig, selbstverständlich aber auch ganz gezielt im Rekrutierungsprozess der Ringier Journalistenschule.