Margrit Sprecher über die Lage der Medien und den journalistischen Nachwuchs
Natalina Haller
Die Schweizer Journalistin und Autorin Margrit Sprecher gilt als die Grande Dame des Reportagenjournalismus. Nun wurde sie mit dem Swiss Press Award für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Wir haben mit der Bündnerin darüber gesprochen, wie sie die aktuelle Lage der Medien beurteilt und was sie über den journalistischen Nachwuchs in der Schweiz denkt.
Warum sind Sie Journalistin geworden?
Schon in den ersten Schulklassen habe ich entdeckt, welche Kraft in Wörtern steckt und wie schön es ist, mit ihnen ganze Welten zu bauen.
… und warum sind Sie Journalistin geblieben?
Kein anderer Beruf führt in so viele unterschiedliche Milieus. In keinem anderen Beruf kommt man fremden Menschen in so kurzer Zeit so nahe.
Digitalisierung, Schnelligkeit vor Qualität, Social Media: Alle sprechen von den grossen Veränderungen im Journalismus. Was bleibt gleich?
Das Wichtigste ist damals wie heute: Ohne wirkliches Interesse (nicht Neugierde!) für andere Menschen macht der Job weder im Newsroom noch in der Chef-Etage Freude.
Sie wurden kürzlich für ihr Lebenswerk mit dem Swiss Press Award ausgezeichnet und haben auf der Bühne gesagt: «Nach diesem schönen Abend habe ich das Gefühl, dass meine besten Reportagen noch vor mir liegen.» Welche Geschichten wollen Sie noch schreiben?
Wunschreportagen sind gefährlich. Meist werden sie zur Enttäuschung, weil die eigenen Erwartungen viel zu hoch sind. Zur Wunschreportage wird bei mir immer die Reportage, an der ich gerade arbeite. Das Thema ergibt sich meist zufällig und kurzfristig.
Sie arbeiten selbst in der Journalistenausbildung: Wie empfinden Sie den Schweizer Nachwuchs?
Handwerklich ist er weitaus besser ausgebildet als alle früheren Journalisten-Generationen. Seltener geworden ist dagegen der Wille, einen anderen Blickwinkel zu finden, sich abzusetzen vom Mainstream – vermutlich aus Zeitmangel. Seltener geworden sind auch das professionelle Selbstbewusstsein und der Wille, Überdurchschnittliches zu leisten. Warum nicht mal in eine Geschichte, die einem am Herzen liegt, so viel Zeit investieren, wie sie tatsächlich braucht? Und dies, obwohl diese Zeit nicht bezahlt wird?
Interview: Miriam Suter