Das erhältst du in einem Praktikum bei...
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Wie viel bezahlen Schweizer Redaktionen für ein Praktikum, wie lange ist die Mindest- und Maximaldauer? Wir sorgen mit einer Übersicht mit Angaben zu mehr als 80 Publikationen für Transparenz. Ein Bericht über den Entstehungsprozess. Und eine Einordnung der Ergebnisse, denn in diesen stecken mehr als die reinen Zahlen.
Unsere Übersicht soll nicht zur Rangliste werden für besonders faire oder skandalöse Praktikumsbedingungen. Was wir wollen: Transparenz. Junge Journalisten sollen wissen, was sie von einer Praktikumstelle erwarten und einfordern können.
Trotzdem ist es nicht okay, wenn die Basler Zeitung nur 600 Franken für einen Monat Praktikum bezahlt. Auch 500 Franken Lohn bei Radio Pilatus oder 700 Franken bei Radio FM1 sind keine fairen Bedingungen. Ein Praktikum sollte für alle zugänglich sein und nicht davon abhängen, ob die Berufseinsteiger noch zuhause wohnen oder von Eltern und Grosi unterstützt werden
Begeisterte Jungjournalisten mögen es in Kauf nehmen, während eines mehrmonatigen Praktikums vom Ersparten zu leben und auf Luxus zu verzichten. Doch selbst Spaghetti mit Tomatensauce von M-Budget sind nicht gratis. Und welcher Student oder Lehrabsolvent hat ein dickes Bankkonto?
Uns ist bewusst: Der Lohn wird von vielen Faktoren beeinflusst. Dauer und Ort des Praktikums, die Vorbildung oder Zusatzleistungen wie das Besuchen von bezahlten Ausbildungskursen sind relevant. Die reinen Zahlen greifen aber nicht nur deshalb zu kurz.
Nebst Geld ist nämlich die Art und Weise der Betreuung zentral. Junge Journalisten wollen in einem Praktikum Neues lernen, besser werden. Learning by doing mag ganz zu Beginn beim Berufseinstieg noch funktionieren, doch ohne konstruktives Feedback ist der Stillstand bald erreicht. Es ist essenziell, dass ein erfahrener Journalist Zeit hat zu helfen, Fragen zu beantworten und Rückmeldungen zu geben. Hierfür bleibe im Alltagsstress auf der Redaktion wenig Zeit, haben wir oft von unseren Mitgliedern gehört.
Das Kapital des Qualitätsjournalismus von morgen sind gut ausgebildete Jungjournalisten. Anbieter von Praktika sind dafür nicht alleine verantwortlich, doch sie stehen in der Pflicht, ihren Schützlingen einen Journalisten an die Seite zu stellen, der Ressourcen für eine gute Betreuung zur Verfügung hat. Redaktionen, die Praktikanten als billige Arbeitskräfte sehen, schaden der Branche.
Wie ist unsere Übersicht entstanden?
Wir haben den Redaktionen per E-Mail einen Fragebogen geschickt. Einige Publikationen haben unvollständig, beispielsweise ohne Angabe des Lohns geantwortet. In diesen Fällen fragten wir im JJS-Mitgliedernetzwerk nach, ergänzten die fehlenden Angaben wenn möglich und kennzeichneten sie als inoffiziell. Rund 20 Redaktionen reagierten trotz Nachfrage nicht. Was uns freut: Sehr viele, die geantwortet haben, füllten den gesamten Fragebogen aus. Was uns ärgert: Die Kommunikationsabteilung von Ringier liess das Lohnfeld leer, vom Tages-Anzeiger und der SonntagsZeitung kam überhaupt keine Antwort*. Die Grossen scheinen kein Interesse an Transparenz zu haben.
Was uns noch mehr ärgert: Nach dem Aufruf im Mitgliedernetzwerk für Angaben aus absolvierten Praktika erreichten uns auch mehrere Nachrichten wie "nach meinem Praktikum habe ich herausgefunden, dass mein Vorgänger mit ähnlicher Ausbildung und Erfahrung 1000 Franken mehr verdiente" oder "nach den ersten sechs Monaten ist die Bezahlung Verhandlungssache, ich erhielt dann 500 Franken weniger als meine Kollegin".
Höchste Zeit, dass wir unsere Übersicht veröffentlichen.
* Update: Ringier meldete sich kurz nach der Publikation der Praktikumsübersicht bei uns und lieferte die fehlenden Angaben nach. Auch der Tages-Anzeiger und die SonntagsZeitung haben uns mittlerweile geantwortet.