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Lokaljournalismus

mit Hanna Girard

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Blog

Unsere Zukunft #3 – Hansi Voigt

Natalina Haller

«Gute Inhalte sind immer gesucht, egal in welchem Medium.»

Hansi Voigt, Chefredaktor von 20 Minuten Online, kann verstehen, dass es junge Journalistinnen und Journalisten noch immer in den Printjournalismus zieht. Trotzdem ist er der Meinung, dass die Zukunft dem Web gilt und dort die spannendsten Erzählformen für Geschichten gefunden werden können. Nach Hannes Britschgi und Michèle Binswanger ist Hansi Voigt der Dritte im Bunde, der sich unserer Interview-Serie «Unsere Zukunft» stellte.

Weshalb haben Sie sich vor vielen Jahren entschieden, Journalist zu werden?

Weil ich Meinungen einholen und Inhalte erzählen schon immer wichtig und spannend fand.  Ausserdem glaube ich, dass Geschichten erzählen immer eine Zukunft hat.

Was entgegnen Sie jungen Journalisten, die ängstlich in die Zukunft blicken, da man ihnen eintrichterte, ihr Beruf habe keine Zukunft?

Wenn ich vor Journalistenschülern sitze, merke ich tatsächlich oft eine grosse Skepsis. Ich versuche die Leute aufzumuntern und erkläre ihnen, dass sie ja nicht Drucker, sondern Journalist werden. Gute Inhalte sind immer gesucht, egal in welchem Medium. Ausserdem bin ich überzeugt, dass Journalisten im Mediengeschäft wieder eine grössere Wichtigkeit erhalten. Denn die Journalisten und deren Inhalte werden das einzige Unterscheidungsmerkmal der Verleger sein. Heute wichtige Produktionsfaktoren wie Druckerei und Vertrieb werden in einer digitalen Welt marginalisiert. Es bleiben die Journalisten.

Dazu gehört auch ein journalistisches Verständnis, in Zukunft nicht mehr nur für einen Kanal zu produzieren. Ist diese Denke bei 20 Minuten bereits etabliert?

Man muss die Kanäle, auf denen man seine Inhalte anbietet, spezifisch bespielen können. Ich glaube deshalb nicht an eierlegende Wollmilchsäue. Woran ich aber glaube, ist ein offener, angstfreier Austausch. Wir haben zwischen Print und Online diverse Regeln festgelegt. Das Hauptstichwort heisst aber absolute Transparenz und Austausch. Wir sind hier auf der Suche nach Synergien schon sehr weit gekommen, ohne die Qualität der einzelnen Channels zu beeinträchtigen und ohne eine Schaukäserei zu betreiben, die sich Newsroom nennt.

Fragt man angehende Journalist/Innen, äussern sie sich oft negativ über Onlineportale, obwohl sie selbst fast nur Onlinenews konsumieren. Wie deuten Sie diese Verzerrung?

Als junger Journalist kann ich nachvollziehen, dass einen die grossen Printtitel reizen, werden doch die Marken noch immer stark über Printprodukte definiert. Doch wer einmal online gearbeitet hat, sieht die Beschränkungen der anderen Medien bzw. die Möglichkeiten im Online-Bereich.

Weshalb hat Onlinejournalismus trotzdem einen solch schlechten Ruf?

Das hängt natürlich mit den Ressourcen zusammen: Bei 20 Minuten Online beschäftigen wir 65 Vollzeitmitarbeiter. Der Anspruch, an 365 Tagen während 24 Stunden relevante Nachrichten zu produzieren, ist aber eigentlich ziemlich masslos. Vergleicht man dies mit einer Printredaktion, die «nur» 220 Ausgaben pro Jahr produziert, merkt man, dass die Personaldecke immer noch relativ dünn ist. Was mein Chef natürlich ganz anders sieht! (lacht)

Wo rekrutieren Sie Journalisten mit einem gewissen Onlineverständnis?

Ab Stange gibt’s da nicht viel zu holen. Wir stellen fest, dass Fachhochschulabgänger zwar journalistisch noch nicht so sicher sind, dafür in der Multimedialität schon viel offener denken. Die gestandenen Print- oder Radioleute sind journalistisch stark, denken aber noch nicht so schnell über alle Medienformen hinweg. Fertige Onlinejournalisten gibt es kaum, den Reifeprozess müssen wir selbst übernehmen.

Welches ist die Essenz, die Onlinejournalismus ausmacht?

Die wichtigsten Punkte sind immer dieselben: Sorgfalt, Neugierde, Fairness und Präzision. Arbeitet man online, kommt ausserdem die Möglichkeit, Geschichten verschieden zu erzählen, hinzu. Ein guter Online-Journalist nutzt seine kreativen Möglichkeiten, anders zu erzählen. Man kann einen Text abtippen, Inhalte in Quizform präsentieren, zur Illustration ein Video selbst drehen oder nach einem solchen suchen. Zudem müssen Onlinejournalisten vom Start weg viel mehr Eigenverantwortung übernehmen – kein Chef kann seine Online-Mitarbeiter 24 Stunden lang kontrollieren.

Trotz der höheren Verantwortung verdienen Printjournalisten noch immer mehr als ihre Onlinekollegen. Können Sie sich dies erklären?

Das hat natürlich mit der Altersstruktur zu tun. Ist der Durchschnittslohn bei einer NZZ-Printredaktion höher, so ist gleichzeitig auch das Durchschnittsalter höher. Journalisten bei 20 Minuten Online verdienen dasselbe wie ihre Printkollegen. Sollte es noch immer Redaktionen geben, in welchen ein Printjournalist als Anfänger mehr bekommt als ein Online-Novize, so halte ich dies für dumm und wenig zukunftsgerichtet.

Haben Sie gelegentlich Mühe mit dem Journalismusverständnis älterer Berufskollegen, die sich noch immer als Welterklärer hervorheben und dabei ihre Leserschaft aus den Augen verloren haben?

Das nehme ich zur Kenntnis und wundere mich dabei. Ich befürworte ausdrücklich einen Journalismus, der in Korrespondenz mit den Lesern steht. Nicht nur Senden, sondern auch Empfangen. Das bringt nicht nur uns enorm viel. In der Sendung «Wer wird Millionär» ist der sicherste Joker stets der Publikumsjoker, da er zu 70 oder 80% die richtige Lösung offenbart. Das ist ein plumpes Beispiel, aber auf die Intelligenz und den Input der Masse im Journalismus des Jahres 2012 aus Eitelkeit oder aus Angst um seine elitäre Position zu verzichten, halte ich für antiquiert.

Welchen Fehler sollte jede/r Jungjournalist/in einmal gemacht haben?

Jeder junge Journalist schätzt zu Beginn seines Arbeitsalltages die Ressourcen falsch ein. Oft schlagen mir neue Leute zu Beginn eine Riesenarbeiten vor und setzen sich dann zwei Wochen daran, um bei der Veröffentlichung festzustellen, dass die Geschichte nicht mehr angeschaut wird als eine Agenturgeschichte, die vielleicht in zehn Minuten produziert wurde. Was macht man mit dieser Erkenntnis? Nur noch Agenturgeschichten produzieren? Nein, das wäre völlig falsch. Aber man muss daran denken, dass man den Artikel mit dem grossen Aufwand auch gross verkaufen muss. Erst dann lohnt es sich.  Diese Ökonomie erschliesst sich aber erst mit der Zeit. Und das ist auch gut so.

Was können Journalisten, die bereits seit längerer Zeit im Beruf stehen, von jüngeren Kollegen lernen?

Enthusiasmus.

Wie beobachten Sie die Entwicklung, dass sich Journalisten im Netz dank neuer Medien selbst zu einer Marke etablieren?

Das ist sicher gut. Jeder soll sich so teuer wie möglich machen. Allerdings ist es wichtig, als Journalist nicht nur für die eigenen 50 Twitter-Follower zu schreiben, sondern ständig das gesamte Publikum im Auge zu behalten. Sonst wird man wieder von der Eitelkeit getrieben und der journalistische Service verschwindet.  Die Gesamtmarke der Medienprodukte wird die der einzelnen Journalisten aber immer überstrahlen.